Kommend aus Richtung Dresden fällt einem Besucher an Bautzen sofort auf, dass unsere Altstadt von zahlreichen Türmen und Stadtmauerresten umgeben ist.
Das Mühltor am Eselsberg ist Teil der Stadtmauer und kleinste Befestigungsanlage der Stadt, gelegen unmittelbar am Steilhang zur Spree auf Granitgrund zwischen Alter Wasserkunst und Michaeliskirche.
In früheren Jahren als Eselstor am Eselsberg benannt, erlangte es diesen Namen nach jenen geduldigen Tieren, die einst die Mehlsäcke in die Stadt hinauf schleppten. Sie kamen den steilen Weg von der an der Spree gelegenen Ratsmühle.
Im Jahre 1606 erhielt das Mühltor seine jetzige Gestalt und wurde nebst einer Wohnung für einen Wächter nach einem Brand neu aufgebaut. Die noch vorhandenen Sitznischen in der Wächterstube können auch heute betrachtet werden.
In die Schicksale des Dreißigjährigen Krieges war das Mühltor einbezogen, als die Stadt 1620 unter großen Opfern auch die Ratsmühle gegen den Kugelhagel des Heeres des Sächsischen Kurfürsten Johann Georg l. verteidigte. Die Befehle zur Sicherung der Mühle ergingen dazu vom Mühltor aus. Der Böhmische Winterkönig Friedrich V. von der Pfalz wurde am Weißen Berg bei Prag besiegt und das Mühltor fiel mit dem Lande Budissin im Jahre 1635 an Sachsen. Zuvor hatte das Mühltor wie auch die Stadt selbst immer mal wieder andere Herren. Bis 1467 gehörte die Stadt dem König Georg Podiebrad zu Böhmen und von 1469 bis 1490 dem Ungarnkönig Matthias Corvinus. Nach dem Tode des Ungarnkönigs gehörte die Stadt wieder zu Böhmen und blieb es bis in den Dreißigjährigen Krieg.
Vom Mühltor, der kleinsten Befestigungsanlage von Budissin, wurden auch weiterhin alle Transporte am Eselsberg und im Wendischen Kirchhof überwacht. Wenn die Glocke halb 10 abends schlug, schloss das Mühltor sein eisenbeschlagenes Eichenholztor und der Wächter konnte sich geruhsam - aber immer ein Ohr am Tor - zur Ruhe begeben.
Erst ab 1712 verrichteten Stadtsoldaten den Wachdienst am Stadttor. So mancher Dieb und Tunichtgut wurde hier dingfest gemacht. Seit 1835 gibt es die Stadtsoldaten nicht mehr. Die Wachen wurden eingezogen. Somit verlor das Mühltor seine Bedeutung als Teil der städtischen Befestigungsanlage.
Noch um die Jahrhundertwende wuchs an der Spree so viel Gras, dass sich städtische Tierhalter Futter von dort besorgten. Die nebenstehende Abbildung einer alten Postkarte zeigt einen Bürger, der vom Heuwenden durch das Mühltor heimkehrt.
Von vielen Künstlern gemalt, unzählige Male fotografiert, gehört dieses noch bestehende älteste Bauwerk seiner Art zum unverwechselbaren Erscheinungsbild unserer Stadt. Lange schlummerte es vor sich hin, bis es wieder zu Wohnzwecken genutzt wurde. Bekannt ist, dass eine Schneiderin hier unter einfachsten Bedingungen wohnte. Dennoch liebte sie ihr Mühltor und wollte ihre Behausung nicht tauschen.
Später zog ein Maler ins Mühltor und machte daraus ein „Maltor". Bis in die 80er Jahre ging das emsige Treiben. Noch heute erinnern sich die damaligen Mädchen an das manchmal auch fragwürdige „Modellstehen" in den Gemäuern des Mühltores.
Das im 15. Jahrhundert entstandene rechteckige, turmartige Bauwerk am Steilhang zur Spree war bereits 1909 in die Liste der Bau- und Kulturdenkmäler des Königreiches Sachsen aufgenommen worden. Hervorgehoben wurden die aus handgestrichenen Ziegeln gemauerten Spitzbogen, die auf gefaste granitene Torpfeiler aufgesetzt sind.
Das Mühltor heute ist Vereins- und Begegnungsstätte des Vereins "ALTSTADT BAUTZEN e.V.".
Hervorgegangen aus der Bürgerbewegung "IG Altstadt/Rettet die Bautzener Altstadt" wurde der Verein "ALTSTADT BAUTZEN e.V." am 28. Mai 1994 von einem Dutzend Bautzenern gegründet.
Quelle : Faltblatt „Bautzens Denkmale“ - Das Mühltor; Text : R. u. P. Giebelhäuser/C. Knappe